Placebo oder nicht?
Vor einigen Jahren haben verschiedene gesetzliche Krankenkassen Modellprojekte durchgeführt, um im Rahmen der daraus abgeleiteten Studien die Wirksamkeit von Akupunktur zu untersuchen. Verglichen wurde jeweils für bestimmte klinische Indikationen (z.B. Rückenschmerzen, Knieschmerzen, Kopfschmerzen) die Wirkung der Akupunktur in einer Therapie- Gruppe, einer Placebo- Gruppe und einer Wartelisten- Gruppe.
Zur Erläuterung:
In den Therapie- bzw. Verum- Gruppen (von lat. „wahr“, also „wahre Therapie“) wurden die Testpatienten mit einer zum Teil standardisierten Therapie behandelt. Es waren z.B. für die Indikation „Knieschmerzen“ bestimmte Akupunkturpunkte vorgeschrieben. Diese hatte der Therapeut unabhängig von den individuellen Beschwerden des Patienten zu nadeln, ohne die Kriterien zu berücksichtigen, nach denen in der Chinesischen Medizin die Therapie individuell auf jeden einzelnen Patienten zugeschnitten wird.
In den Placebo- Gruppen wurden die Patienten mit einer so genannten „Minimalakupunktur“ behandelt, das heißt, es wurden Nadeln an Orten gesetzt, die keine Akupunkturpunkte sind.
Die Patienten in den Wartelisten- Gruppen erhielten keinerlei Akupunktur-Behandlung sondern die übliche konventionelle Therapie wie Schmerzmittel bzw. Physiotherapie.
Im Ergebnis war Akupunktur in allen Studien gegenüber der konventionellen Therapie (Schmerzmittel, Physiotherapie) so deutlich überlegen, dass Akupunktur nunmehr für die Indikationen Rückenschmerzen und Knieschmerzen unter bestimmten Bedingungen von den gesetzlichen Krankenkassen als sog. „Kassenleistung“ angeboten wird.
Eine weitere Folge der Veröffentlichung der Studienergebnisse ist die anhaltende Diskussion, ob es überhaupt von Bedeutung ist, an bestimmten ausgewählten Orten (den Akupunkturpunkten) Nadeln zu setzen, oder ob es - wie es teilweise in den Medien polemisch behauptet wurde - „völlig egal ist, wohin man sticht“. Die Ursprünge dieser Streitgespräche liegen in den zum Teil geringen Unterschieden der Behandlungsergebnisse für die Therapie- Gruppen und die Placebo- Gruppen.
Kritische Betrachtung der Krankenkasse-Studien und ihrer Ergebnisse:
Diese Fakten bestätigen die Sichtweise der Chinesischen Medizin, dass „einfache Erkrankungen“ wie z.B. Knieschmerzen, bei denen die Ausprägung der Beschwerden bei verschiedenen erkrankten Personen zumeist ähnlich ist, eher mit einer standardisierten Akupunktur behandelt werden können als kompliziertere Erkrankungen (Beispiel aus den Studien: Migräne). Bei Letzteren können Haupt- und Nebensymptome bei verschiedenen Erkrankten sehr unterschiedlich sein, ebenso wie die persönliche Konstitution (Veranlagung).
Eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg einer Akupunkturbehandlung wie etwa bei einer Migräne ist jedoch die Berücksichtigung sowohl der Konstitution als auch der individuellen Beschwerden im Rahmen einer
Chinesischen Diagnose. Das kann sich dann in der Weise auswirken, dass verschiedene jeweils unter Migräne leidende Personen recht unterschiedliche Akupunkturkonzepte für einen optimalen Behandlungserfolg benötigen. Dies wiederum erfordert eine fundierte (wesentlich längere als eine nur 140 Stunden umfassende) Ausbildung in Akupunktur und
Chinesischer Medizin. All diese Voraussetzungen waren in den Studien nicht gegeben, so dass erklärlich ist, dass die Akupunktur-Ergebnisse z.B. für Migräne nicht so gut waren wie erwartet und dass die „Placebo-Akupunktur“ im Vergleich zur „echten“ Akupunktur so überraschend gut abschnitt.
Letztlich sind die Ergebnisse durchaus im Sinne der die Studien planenden und ausrichtenden Krankenkassen ausgefallen, die von vornherein das Ziel verfolgten, Akupunktur kostengünstig für wenige Erkrankungen im allgemeinen Leistungskatalog anbieten und bewerben zu können. Dieses Ziel ist erreicht worden.
In anderen Studien konnte jedoch auch bei Indikationen wie z.B. Migräne eine Überlegenheit (,‚signifikante Unterschiede“) der „echten“ Akupunktur gegenüber einer „Placebo-Akupunktur nachgewiesen werden.
Alle Rechte vorbehalten | Dr. med. Christian Thede